Bob Dylan und die lebenslange Suche nach sich selbst

Woher kommt seine enorme Kreativität? Wie unterscheidet er sich von Leonard Cohen? Was zeichnet seine Seele aus?

Bob Dylan ist am 25. Mai 1941 in Duluth Minesota in eine ukrainisch-jüdische Familie hineingeboren worden. Er gilt als einflussreichster Musiker des 20. Jahrhunderts, hat unzählige Songs geschrieben und viele MusikerInnen nach ihm beeinflusst. Bereits mit zehn Jahren wollte er nichts anderes als Musiker und Dichter sein. 2016 bekam er als erster Singer/Songwriter den Nobelpreis für Literatur. Und ging nicht hin, um ihn abzuholen, was für seinen besonderen Charakter spricht. Introvertiert, schwierig, unberechenbar – so wird er beschrieben. Interessant ist, dass er wie Leonard Cohen als Jude geboren wurde. Was mich an Bob Dylan interessiert, ist seine Seelenaufgabe, seine Seelenfamilie und sein Seelenalter – im Vergleich zu Leonard Cohen. Was könnt ihr dazu sagen?

»Es freut uns hier, dass du uns nun auch diesen Ausnahmemusiker nahegebracht hast und uns dazu um unsere Einschätzung aus der Sicht der seelischen Welten bittest. Denn auch dieser Mann ist, ähnlich wie Leonhard Cohen, eine alte Seele, jedoch nicht in der gleichen Hinsicht gereift wie die Seele von Leonhard Cohen. Wenn wir sagen alte Seele, so meinen wir dies im Hinblick auf das, was er in all seinen Vorinkarnationen erlebt hat. Und es ist eine Seele, die in ihren Vorinkarnationen sehr viel Düsternis, sehr viel Schweres, aber auch auf der anderen Seite sehr viel Leichtes, sehr viel Glück erlebt hat. Um es einmal zusammenfassend zu sagen, hat er durch seine vorangegangenen Inkarnationen die gesamte Palette des menschlichen Seins kennengelernt.

Die Seele als Impulsgeber für seine Kreativität

Aus diesem wahren Fundus der vorangegangenen Zeiten schöpft er in diesem Leben seine Kreativität. Daher kommen seine Lieder, von denen er ja manchmal sagt, er wüsste gar nicht, woher sie kommen. Sie kommen aus seinem Unterbewusstsein, das durch die Kraft seiner Seele immer wieder neu beflügelt und eingespeist wird. Ähnlich wie der große Wissenschaftler Leibniz wurde auch er permanent torpediert von den Einfällen und Einflüssen seines Unterbewusstseins, von dem, was seine Seele über die Jahrtausende hinsichtlich des Lebens gespeichert hat. Und aus diesem Grund kam und kommt es zu diesem enormen Schaffenspotenzial, wie es eigentlich für eine ältere Seele eher unüblich ist.

Er kommt aus seiner Seelenfamilie, in der es darum geht, den Dingen Form und Gestalt zu geben. Und so hat er in diesem Leben als Dichter, Musiker und eben auch als Maler diesen Seelenauftrag in außerordentlicher und großartiger Weise erfüllt und ist diesem Seelenauftrag mit großem Engagement, mit großer Liebe, mit großer Leidenschaft gefolgt.

Einer, der das Leben durchdringen will

Was nun seine menschliche Art, sein Charakter, seine psychische Verfassung anbelangt, so haben wir hier eine Persönlichkeit, wie sie für alte oder ältere Seelen typisch ist. Eine Persönlichkeit, die hie und da am Leben zerbricht, dem Leben Fragen stellt und es in aller Tiefe zu durchdringen versucht. Aus diesem Grund hat er auch zu Drogen gegriffen, um eben noch tiefer einzudringen in das, was man Leben nennt, was menschliche Erfahrung ist und was an menschlicher Erfahrung überhaupt in einem Leben möglich ist.

Und dazu gehört eben auch diese Unstetigkeit, die Exaltiertheit hinsichtlich anderer Menschen und eben auch das schwierig Fassbare seines Charakters, das sich auch besonders in Liebesbeziehungen, aber auch in Beziehungen zu seinen Förderern, Freunden und beruflichen Wegbegleitern äußert.

Joan Baez - eine Liebe über das Leben hinaus?

Kommen wir nun zu der Beziehung zu Joan Baez, welche die wohl die bekannteste für euch ist und die am meisten in euren Medien beschrieben worden ist. Hier sind zwei Charaktere aufeinandergetroffen, die sich in so vielem ähnelten und in so vielem eben auch nicht. Zwei sehr anspruchsvolle, differenzierte und nicht einfache Charaktere. Sie haben gewissermaßen Ping-Pong miteinander gespielt, und so konnte diese Liebe eben immer nur hin und her pendeln zwischen tiefer Empfindung und Verlust. Und so ist diese Liebe letztendlich auch daran gescheitert, dass beide Menschen unterschiedliche Ansichten hinsichtlich ihrer Musikalität und ihrer musikalischen Karriere hatten.

Es waren also eine Vielzahl an Faktoren, die hier hineinspielten und dennoch entstand in dieser Beziehung zwischen den beiden Seelen eine tiefe, tiefe Verbundenheit und beide Seelen beschlossen, sich noch einmal in einer späteren Inkarnation zu treffen, um das, was sie in diesem Leben nicht leben konnten, zu leben.

Frauen – ein schwieriges Kapitel

Wenn wir nun insgesamt die Beziehungen von Bob Dylan zu den Frauen betrachten, dann spielt auch hier noch etwas hinein, was seiner frühkindlichen Sozialisation zugrunde liegt und was zu tun hat mit dem Verhältnis zu seiner Mutter. Das ist nun etwas, was nahezu in allen Menschenleben eine Rolle spielt, da die Mutter, ob sie nun da ist oder nicht, in irgendeiner Form prägend ist für das Verhältnis zu Frauen. Er fühlte sich als kleiner Junge teilweise von seiner Mutter unverstanden und unerlöst und hatte schon sehr früh ein ambivalentes Gefühl zum weiblichen Geschlecht.

Gleichwohl war es so, dass Frauen auf ihn eine ungeheure Faszination ausübten und tun es noch. Deshalb war es für ihn sehr schwierig und ist es wohl auch noch zum weiblichen Geschlecht eine, wir möchten einmal sagen, einfache Beziehung zu haben und diese eben auch zu gestalten.

Das Leben - eine lebenslange Suche nach sich selbst

Ähnlich wie Leonard Cohen war und ist Bob Dylan auch ein Suchender, jedoch sind hier die Themen etwas anders gelagert. Ihm ging es zeitlebens nicht darum, die Mysterien der Religion zu ergründen, sondern ihm ging es darum, die Erfahrungen aus vergangenen Leben noch einmal in diesem Leben zu deuten und teilweise auch noch einmal aufzuarbeiten. Und da er im Rahmen seiner Inkarnationskette einige Male innerhalb der christlichen Religion geboren und aufgewachsen war, und in dieser auch einmal glücklich und einmal unglücklich war, so war es nur folgerichtig, dass seine Seele in diesem Leben hier noch einmal ihr »Seelenheil« finden wollte und es teilweise auch fand. Und doch ist diese Seele immer noch von einer Sehnsucht geprägt  – und deshalb hat sie auch ein so großes Schaffenspotenzial – wenn es darum geht, den Dingen Form zu verleihen, dem Inneren Ausdruck geben zu können – um so seinem Inneren habhaft zu werden. Das ist das, was er ein Leben lang versucht hat, was ihn auch so einzigartig gemacht hat und was sich eben auch in seiner Wortkargheit manchmal äußerte, wenn er zu verschiedenen Dingen gefragt wurde.

Man könnte grob verallgemeinernd auch sagen, sein Leben ist eine lebenslange Suche nach sich selbst, die er mit Hilfe eines künstlerischen Ausdrucks dargestellt und bewältigt hat und immer noch bewältigt.

Gibt es für eben den Drogenkonsum und den Alkoholkonsum noch eine andere Begründung?

Die zweite Begründung aus unserer Sicht ist, dass er ein Kind seiner Zeit war und ist und in eine gesellschaftliche Gruppe hineingeraten ist, in der das Thema Drogen sozusagen en Vogue war und in der es auch geduldet beziehungsweise sogar propagiert wurde, Drogen zu nehmen, Alkohol zu konsumieren. So ist das seelische Wollen durch äußere Umstände noch begünstigt worden.

Im Film »Like A Complete Unknown« wird auch die Beziehung zu Pete Seegers, der ihn entdeckt hat, und zu Johnny Cash thematisiert. Was könnt ihr dazu sagen?

Was Pete Seegers anbelangt, so dürfen wir sagen, dass er eine Art väterliche Obhut, väterliche Fürsorge für ihn dargestellt und ausgestrahlt hat. Und in dem Moment, als er versuchte, seine eigenen Wege zu gehen, kam es zu einem Bruch, wie es eben zwischen Väter und Söhnen dann der Fall ist. Und darüber hinaus war Pete Seegers in einer vorigen Inkarnation schon einmal Vater der Seele von Bob Dylan. Und so durfte sich hier dieses konflikthafte Potenzial in aller Tiefe und Liebe, aber auch Schmerzhaftigkeit zeigen.

Was nun Johnny Cash anbelangt, so war dieser Mann eher das Alter Ego von Bob Dylan, und was ihn anzog war seine Andersartigkeit im Denken aber auch in der Art und Weise, wie er sein Leben gestaltete. Andersartigkeit hinsichtlich seiner sozialen Herkunft und auch die Andersartigkeit seiner Musik. Es war die Faszination eines Menschen, der auf eine gewisse Art tiefe Bodenständigkeit und einen American Way of Life ausstrahlte, der Bob Dylan anzog.

Bob Dylan hat den Friedensnobelpreis bekommen für seine Texte, ihn aber dann nicht abgeholt.

Das ist nun wieder etwas, was der Tiefe seines eigenständigen Charakters zugrunde lag, und es ist etwas, bei dem in die Psyche, der Charakter, das seelische Wollen auf ganz bestimmte Art ausgeformt hat. Andersherum gesagt, man kann Dingen Form und Gestalt geben, ohne dabei gesellschaftlich anzuecken und einen sehr einfachen und geradlinigen Weg gehen, was auch viele Mitglieder seiner Seelenfamilie tun. Dylans Charakter hat jedoch eine große Eigenwilligkeit und deshalb kam es auch immer wieder zu dem, was ihr menschliche oder musikalische Brüche in einem Lebenslauf nennt und zu überraschenden Handlungen. Bob Dylan ist ein Mensch mit einem Charakter, der Gefallen daran findet, gerade das nicht zu tun, was man von ihm erwartet. Diese Art von Reibung, das Unerwartete zu tun, gibt ihm Energie und Kraft weiter zu gehen und im Leben voran zu schreiten.

Wie seht Ihr sein musikalisches Vermächtnis?

Wenn ihr uns nun fragt, wie wir aus seelischer Sicht sein musikalisches Vermächtnis bezeichnen, so würden wir sagen, es ist die Bandbreite und die große Facette seiner musikalischen, aber auch schriftstellerischen Ausdrucksfähigkeit, die er hinterlassen hat und es werden einige seiner Lieder in das ewige Arsenal der Musikgeschichte eingehen. Sofern seine Musik und seine Lieder wachgehalten werden, werden sich Menschen von den verschiedenen Aspekten sowohl des musikalischen als auch des schriftlichen Ausdrucks angesprochen und in tiefster Seele verstanden fühlen.

Wir könnten hier fast einen Bogen zum Dichter Rainer Maria Rilke schlagen, über den wir uns auch schon geäußert haben, und bei dem es in gewissen Grundzügen ähnlich war, ähnlich in der Hinsicht, dass eine lange Inkarnationskette den Ausschlag gegeben hat für ein künstlerisches Schaffen, in dem alles seelisch Erlebte noch einmal Form und Ausdruck bekommen hat.

Und wenn ihr euch nun weiter mit dem Künstler Bob Dylan befassen wollt, versucht einmal zu prüfen, welches Lied, welche seiner Texte euch berühren, sie können durchaus auch seelische Aspekte des menschlichen Seins anrühren und zum Denken anregen.«

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